„Sie haben aber doch gewusst, auf was Sie sich einlassen,“ sagt die Ärztin zu mir, während sie meine Haut nach möglichen Krebsflecken untersucht. Es durchzuckt mich. Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas höre. „Ja, ja, natürlich!“, antworte ich schnell. „Deswegen habe ich ja auch schon vorgesorgt und mir ein Netzwerk aufgebaut.“ Ich lenke ab. Was soll dieser scheiß Satz!?, denke ich. Man sagt doch auch nicht, Sie wussten doch, dass der Straßenverkehr gefährlich ist und tödlich sein kann. Jetzt wundern sie sich nicht, dass sie querschnittsgelähmt sind. Oder, Sie wussten doch, dass eine Geburt schmerzhaft sein kann. Jetzt heulen Sie nicht rum und beschweren sich, dass die Ärzte ihnen noch zusätzlich Gewalt angetan haben. Oder Sie wussten doch, dass in der Medienbranche Arbeit ausbeuterisch und schlecht bezahlt ist, mit langen Arbeitszeiten und ohne freies Wochenende. Jetzt beschweren Sie sich nicht, dass Sie ein Burnout haben. Oder, Sie wissen doch, dass Männer im Büro sexistisch sein und auch mal zulangen können. Jetzt haben Sie sich mal nicht so.
Na klar, es gibt vieles, was ich weiß. Heißt das dann im Umkehrschluss, dass nur der auf Verständnis stoßen kann, der dumm und naiv durch die Gegend läuft? So, wie man Menschen an den Pranger stellen und vor Gericht zerren will, weil sie trotz HIV ohne Verhütung Geschlechtsverkehr hatten? Wenn sie um ihre Erkrankung wissen, dann können sie verantwortlich gemacht werden. Wer sich hingegen nie testen lässt, sich nie fragt, ob er selbst oder der andere krank sein könnte, muss hingegen nichts befürchten. Der Spruch „Dumm f**** gut“ stimmt an dieser Stelle wohl. Oder wie ist das zu verstehen?
Die meisten Frauen auf dieser Welt sind mit Männern zusammen, von denen sie abhängig sind. Meist finanziell. Ihnen alle könnte man vorwerfen, dass sie das doch hätten wissen müssen. Jetzt sollen sie sich halt fügen und nicht beschweren. Okay, was ist denn dann die Alternative? Keinen Mann mehr heiraten? Überhaupt nicht mehr mit Männern zusammen sein?
Ja, die meisten von uns lassen sich auf Menschen ein, die ihnen nicht immer gut tun, mit denen sie Schwierigkeiten haben, mit denen es nicht immer harmonisch läuft. Nicht immer gibt es eine komplett freie Wahl. Am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Familie, in der Beziehung. Ja, ich hätte mich gegen den Mann meiner Kinder entscheiden können. Dann hätte ich keine Kinder gehabt. Nun habe ich sie aber – mit ihm. Dass er sich das Recht herausnimmt, weitestgehend abwesend zu sein, finde ich trotzdem scheiße. Und nein, das hätte ich nicht gedacht, dass es so schlimm werden könnte. Selbst wenn. Ich habe ein Recht dazu, zu sagen, dass ich etwas so nicht haben möchte, dass ich so nicht behandelt werden möchte, dass ich es anders haben will. Dass ich mein Recht einfordere, dass ich Gleichberechtigung möchte, dass ich die gleichen Chancen haben möchte, finanziell, sozial, privat. Dass ich ein Recht auf mein eigenes Leben habe. Und nicht völlig fremdbestimmt sein möchte.
Würdest du es wirklich wagen, einer Frau, die geschlagen wurde, zu sagen, sie haben doch gewusst, dass er cholerisch und aufbrausend ist. Was wundert sie sich jetzt, dass er sie geschlagen hat. Warum wundert sie sich, dass jemand so sein kann. Sie wussten doch vorher, worauf sie sich einlässt. Ich glaube, es gibt viele, die genau das sagen und denken. Genau wie mit Prostituierten: sie wüssten doch, worauf sie sich einlassen, da müssten sie sich nicht wundern, vergewaltigt, geschlagen und gedemütigt zu werden (als sei das Teil des Geschäfts… ist es eben nicht!) Oder mit Leuten, die in ausbeuterischer Arbeit stecken, dass sie da jederzeit aussteigen und was anderes machen könnten. Dass wir angeblich alle frei wären, frei entscheiden könnten, was wir heute tun und was morgen.
Wir alle befinden uns in sozialen und wirtschaftlichen Zwängen. Wir können oft nicht aus unserer Haut. Wie viele trauen sich nicht, von zu Hause wegzuziehen, weil sie ihre Eltern nicht enttäuschen wollen. Wie viele trauen sich nicht, gegen Mobbing vorzugehen, weil sie sonst Angst haben, sie könnten ihren Job verlieren. Wie viele trauen sich nicht, sich gegen einen zudringlichen Chef zur Wehr zu setzen, weil sie vom Job abhängig sind. Und wie viele bleiben in einer Beziehung, weil sie es finanziell selbst sonst nicht schaffen würden oder auch kräftemäßig mit den Kindern alleine klarzukommen. Es gibt so vieles, was uns gefangen hält. Deswegen geben wir noch lange nicht die Eigenverantwortung auf. Viele, die in solchen Situationen stecken, wünschen sich nichts sehnlicher als auszubrechen, aber der Verlust oder das Neue könnten noch schlimmer sein als das Alte (siehe Frauen, die sich von ihren Männern trennen und dann erst die ganze Tyrannei kennenlernen, zu der der Mann imstande ist).
Deswegen muss einem nicht zum Vorwurf gemacht werden, man müsse das jetzt ertragen und ausbaden und es geschehe einem recht, weil man es ja hätte wissen müssen. Klarer Fall von Victim Blaming.
(tut mir leid, ich kenne diese Konstellation nicht)
Unser Familienrecht basiert auf der Annahme, dass böse Mütter ihre Kinder den Vätern wegnehmen, sie finanziell aussaugen wollten und ihre Kinder gegen sie instrumentalisieren würden. In der Realität sieht es allerdings genau gegenteilig aus: Männer laufen davon, belästigen oder bedrohen ihre Exfrauen, hetzen die Kinder gegen sie auf, halten sich nicht an Absprachen, zahlen keinen Unterhalt, feilschen um jede Minute, die sie nicht mit ihren Kindern verbringen müssen oder fordern Zeiten mit den Kindern ein, nur, um sie an Oma und Opa abzuschieben, oder sie verschwinden komplett aus dem Leben ihrer Kinder. Ich kann spontan zehn Alleinerziehende aufzählen, die in meinem Freundeskreis sind, die so ganz und gar nicht dem Klischeebild der bösen Mutter entsprechen, welche dem Vater die Kinder entzieht (siehe unten).
Ich selbst wurde direkt nach der Geburt mit diesen Unterstellungen konfrontiert. Der Kindsvater war weg, ich am Ende meiner Kräfte, da beschloss ich, für einige Wochen zu meinen Eltern zu fahren, damit wir dort die Versorgung und Unterstützung bekommen, die nötig ist, um zwei Babys gleichzeitig stillen, wickeln, an- und ausziehen, tragen, und zum Schlafen bringen zu können, ohne selbst dabei drauf zu gehen. „Entziehen Sie dem Vater nicht seine Kinder!“ warf mir eine Coaching-Frau direkt zu. Bitte was? Er hat sich aus dem Staub gemacht und ich soll noch brav allein in der Wohnung bleiben, völlig entkräftet und ohne jegliche Hilfe, nur, damit er einmal pro Woche für eine Stunde mit seinen Kindern Duziduzi machen kann? Geht’s noch? „Lass dich bloß nicht provozieren, halte die Füße still und sei einfach weiterhin ganz freundlich,“ warfen mir Familienmitglieder zu. „Mach dein eigenes Ding und vergiss ihn,“ rieten andere. Äh, ja klar. Klappe halten und immer brav lächeln. Oder aber auf jegliche Hilfe verzichten? Die meisten Frauen halten sich tatsächlich an die erste Regel und bleiben sehr, sehr angepasst, weil nämlich zweites nicht funktioniert. Ihn einfach ziehen lassen und so tun, als hätte es ihn nie gegeben. Dieser Mann ist verdammt noch mal der Vater der Kinder und die meisten Mütter wollen, dass er Teil der Familie ist. Nicht, weil sie an einem kranken Ideal der harmonischen Kleinfamilie festhalten wollen, sondern, weil er einfach mal die komplette andere Hälfte der Verantwortung hat, tatsächlich der Vater der Kinder ist, die Kinder ein Recht auf ihn haben und seine aktive und finanzielle Unterstützung bitte nötig sind.
Die meisten Frauen strampeln sich jahrelang ab, um diesen Vater teilhaben zu lassen. Egal, mit wem ich sprach, immer wieder vermuteten Leute, es hätte bei uns ein Rosenkrieg gegeben, wir beide hätten uns bestimmt immer nur in den Haaren gehabt, ich hätte sicherlich auch einen nicht unbedeutenden Anteil an dem ganzen und irgendetwas getan, dass er fliehen musste. Immer wieder wurde gefragt, ob er die Kinder sehen DARF, ob er ein gutes Verhältnis zu den Kindern aufbauen konnte. Meine Güte! Das sollte alles nicht mein Problem als Mutter sein. Aber ich werde permanent für das Verhältnis des Vaters zu seinen Kindern verantwortlich gemacht. Die Realität sieht meist so aus – Väter fühlen sich nicht in der Verantwortung, sie nehmen einfach Reißaus, sie wollen sich nicht in ihrer Freiheit einschränken lassen, bekommen Panik, verschwinden in ihrer Arbeit, im Sport, Feiern, Vereinsleben oder allem, was außerhalb der eigenen Familie stattfindet. Sie sind nicht da! Und sie wollen es auch nicht. Punkt. So, und nun zehn Beispiele von Frauen aus meinem Freundinnenkreis, die alle so gar nicht dem Klischee der bösen Ex entsprechen. Und P.S.: ja, ich kenne eine Mutter aus meiner eigenen Schulzeit, die weggelaufen ist. Und ich kenne eine Mutter einer Arbeitskollegin, die weggelaufen ist. Und ich kenne den Nachbarn einer Freundin, dessen Frau weggelaufen ist. Aber sie sind eben nicht die Regel. So, hier nun die gängigen Geschichten, die ich zu Hunderten erzählen könnte.
Marike: hat eine erwachsene Tochter, die sie von Anfang an allein großziehen musste. Der Mann ist sofort vor der Verantwortung geflohen. Sie musste auf dem Amt für Unterhalt kämpfen und trat sogar in den Sitzstreik, als man ihr Hilfe verwehren wollte. Der Vater hat die Tochter kaum gesehen. Bei der Kommunion verließ er nach wenigen Minuten wieder die Feier, ohne sich zu verabschieden. Marike schrieb ihm und seinen Eltern immer wieder freundliche Postkarten mit Fotos ihrer Tochter, wollte den Kontakt zu allen herstellen. Sie bekam nie eine Reaktion. Heute verweigert der Vater der Tochter Geld fürs Studium.
Palina: Sie hat einen Sohn mit einem Mann, der schon kurz nach der Geburt des Kindes davonlief. Er zog zu seinen Eltern und aus dem Leben seines Kindes zurück. Palina hatte anfangs noch Verständnis für seine Ängste und der Überforderung, Vater zu sein. Sie lud ihn immer wieder zu sich ein. Wenn er zu Besuch kam, lächelten alle freundliche in die Kamera und sie schickte uns die Bilder mit der Unterschrift, dass sie trotzdem dankbar für jede Minute ist, die er mit seinem Sohn verbringt. Sie ist ein so bewusst lebender Mensch, der mit allem Frieden schließen kann, obwohl ihr gerade Heftiges widerfahren ist. Mittlerweile lässt sich der Kindsvater kaum noch blicken, da sie ein weiteres Kind mit einem neuen Mann hat. Sein gekränktes Ego ist so groß, dass er sich nicht einmal für seinen Sohn öffnen und Zeit mit ihm verbringen kann, da er die Mutter so sehr hasst.
Raja: Sie hat ebenfalls mit einem Mann einen Sohn, der in der Anfangszeit lieber feiern ging und sich die Nächte in Clubs um die Ohren schlug, als sich um sein Kind zu kümmern. Treffen mit dem Kleinen hielt er nicht ein oder er kam zu spät oder blieb nur für ein paar Minuten. Pflichtgefühle gegenüber seines Sohnes als Vater stellten sich nicht ein. Bis heute nicht. Als auch sie ein weiteres Kind mit einem neuen Mann hatte, verschwand auch er komplett aus dem Leben der kleinen Familie.
Fiona: Sie trennte sich nach einem Jahr von ihrem Mann, weil sie nur noch stritten und sie ihren Sohn so nicht aufwachsen sehen wollte. Sie zog in eine kleine Wohnung am Rande der Stadt, um sich in Sicherheit zu bringen. Ihr Ex selbst kann es bis heute nicht glauben, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen sein will, willigt daher nicht in die Scheidung ein und möchte, dass sie in eine Wohnung zieht, die er sogar bezahlen würde. Er kann sie nicht in Ruhe lassen, belästigt sie permanent mit Nachrichten, willigt nicht in ihre Schulentscheidung ein und hält sich nicht an Absprachen. Ist der Sohn bei ihm, bekommt er kaum Schlaf und kommt dann völlig übermüdet, aufgekratzt und häufig krank zur Mutter zurück.
Madita: sie hat die ersten zwei Jahre mit ihren beiden Kindern allein verbracht, einer Tochter und einem Sohn, die beide ein Jahr auseinder sind. Dann zogen der Kindsvater und sie noch einmal zusammen, mehr aus praktischen Gründen und weniger, weil sie sich gegenseitig so anziehend fanden. Das ging nach kurzer Zeit nach hinten los. Als sie den Psychoterror und die emotionale Gewalt durch ihn nicht mehr aushielt, floh sie mit ihren Kindern, nachdem sie ihn über ihr Vorhaben sogar mehrfach informiert hatte. Jetzt ist sie in Sicherheit, kümmert sich stetig und dem guten Kontakt der Kinder mit dem Vater. Dieser terrorisiert sie aber weiterhin mit Nachrichten, hält sich nicht an Absprachen, hat einen Gerichtsverfahren angezettelt und für sich Rechte vor Gericht erstritten, obwohl er sich jahrelang nicht um die Kinder gekümmert hat. Meine Freundin sieht seitdem ihre Kinder kaum noch, obwohl sie diejenige war, die selbst in der gemeinsamen Wohnung alleinerziehend war.
Tessa: Als sie sich vom Kindsvater trennte, fingen seine Familie und er selbst an, sie zu bedrohen. Sie wollten ihr das Kind wegnehmen. Irgendwann glätteten sich die Wogen wieder, als der Kindsvater von seiner Kränkung runterkam und er selbst eine neue Freundin hatte. Er fordert viel Zeit mit dem gemeinsamen Sohn ein.
Magdalena: Als ihre Kinder acht und zehn waren, trennte sie sich von ihrem Mann. Sie bekam von ihm nichts. Keinen Unterhalt, keine Unterstützung. Sie kümmerte sich in der Anfangsphase um alles allein und musste dazu natürlich auch weiter arbeiten gehen. Er terrorisierte sie mit Nachrichten, redete schlechte über sie vor den Kindern und wollte nur jedes zweite Wochenende mit ihnen verbringen. Sie hingegen stemmte den Alltag mit ihnen, verlor kein böses Wort über ihn, hüllte sich in Schweigen und hielt sich mit Freunden und einem Hobby über Wasser – Tanzen. Jetzt sind ihre Kinder erwachsen und erkennen, wie ihr Vater wirklich drauf war.
Karin: Ihr Ex sperrte sie ein, demütigte sie und nahm ihr das Handy ab. Als sie sich zusammen mit ihrem kleinen Sohn von ihm trennte, forderte er das geteilte Sorgerecht und das Wechselmodell. Obwohl der Sohn noch ein Baby war und voll gestillt wurde, musste er trotz seines Geschreis zum Vater. Von diesem wurde er bloß an die Großeltern abgeschoben. Der Junge war durch die erzwungenen Umgang und das Wegreißen von der Mutter traumatisiert. Später, als es für beide eigentlich hätte einfacher werden müssen, nahm das Engagement des Vaters nicht zu, sondern sogar ab. Er wollte den Sohn immer nur einen Tag und eine Nacht an jedem zweiten Wochenende bei sich haben, weil er ja „arbeitsfähig“ bleiben und sich von der Arbeit auch mal erholen müsse. Dass die Mutter selbst berufstätig ist, schien nie zu zählen.
Ingrid: Sie trennte sich von ihrem Mann, als die Kinder zwei und vier Jahre alt waren. Sie hielt es nicht mehr aus, dass er sie immer mehr kontrollierte und ihr verbat, ihre Freunde und sogar die eigene Mutter zu sehen. Als gekränkter Mann, der verlassen wurde, verweigerte er Ingrid jegliche Unterstützung. Sie musste Unterhalt einklagen und immer wieder darum kämpfen, dass er auch mal unter der Woche oder an einem Wochenende die Kinder nimmt. Die Kinder selbst wünschen sich den Umgang mit dem Vater. Aber dieser kann sie nicht an feste Absprachen halten. Bis heute sagt er kurzfristig ab und kann keine verbindlichen oder regelmäßigen Termine einhalten. Sie hat es aufgegeben, ihn für mehr Zeit mit seinen Kindern zu begeistern. Sie lässt ihn gewähren. Alles andere kostet sie zu viel Kraft.
Kathinka: Ihr Kind entstand bei einem One-Night-Stand. Der Vater des Kindes ist Alkoholiker und gewalttätig. Er hat bereits Kinder mit anderen Frauen. Sie hat das alleinige Sorgerecht. Immerhin hat er die Vaterschaft anerkannt. Von ihm hat sie aber nie Geld gesehen. Bis heute bekommt sie Unterhaltsvorschuss vom Amt, was so viel weniger ist, als der eigentliche Unterhalt vom Vater.
Am Wochenende haben wir vier Kindern abends einen Film angemacht, weil sie schon müde waren, noch was essen mussten und kurz vorm Durchdrehen waren. Also haben wir Mütter sie den Kinderfilm „Sing“ anschauen lassen. Darin schafft es eine Schweinchen-Mutter von 25 Ferkeln in eine Castingshow und wird genommen. Als sie zu den Proben und schließlich zum Auftritt muss, hat sie keine Unterstützung, weder Nannys noch ihr Mann stehen ihr bei, nehmen ihr die Arbeit, die Kinder, den Haushalt ab. Nannys legen bei der Zahl der Kinder auf. Der Mann schläft abends direkt vor dem Fernseher ein, wechselt mir ihr noch nicht einmal ein Wort. Also muss sie sich einen Plan ausdenken und baut die ganze Nacht über ein System im Haus, das automatisiert die Kinder und den Ehemann weckt, ihnen Frühstück macht, beim Anziehen hilft und sie zur Tür rausschickt. Sie selbst hat keinen Schlaf bekommen und eilt noch vor allen aus dem Haus. Es soll lustig sein, aber es ist einfach nur traurig. Eine Mutter ist völlig auf sich allein gestellt. Sie hat kein Netzwerk, ist völlig übermüdet, muss für ihren Traum heimliche Wege gehen, kann nicht offen Hilfe empfangen, muss für sich Lösungen finden, um irgendwie weiterhin ihrer Mutterrolle gerecht zu werden. Diese abstreifen darf sie nämlich nicht.
Wenn Du Vater geworden bist und keinen Bock auf Dein Kind hast, musst Du nichts weiter tun, als 390 Euro im Monat für das kleine Bündel abzudrücken. Dann kannst Du Dir alle anderen Unannehmlichkeiten ersparen. 390 Euro für Dein Kind, damit es was zu essen hat, Kleidung, kostenintensive Therapien, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, ein Laufrad bekommt, später ein Fahrrad, zum Babyschwimmen kann und später zu Schwimmkursen, die ca. 240 Euro pro Kind kosten, in den Urlaub fahren oder fliegen kann, damit es im Kindergarten extra Kurse besuchen und an Ausflügen teilhaben kann, damit es Winterstiefel bekommt, die auch mal locker 70 Euro kosten und auch mal nicht schon getragen sein sollen.
Dafür sparst Du Dir den ganz Alltagsstress wie nächtliches Aufstehen, fieberndes Kind, Krankenhausaufenthalte, bei denen Du auf einem Stuhl neben Deinem Kind die Nächte verbringst, schwere Bronchitis, Scharlach und andere Kinderkrankheiten, wegen denen Du wenig schlafen und auch nur schlecht arbeiten kannst, das Gezeter und Gezanke mit Deinem Balg, Termine in der Kita, Jahresgespräche mit Erzieher:innen, Vorbereitung für die Vier-Einhalbjährigen-Prüfung in der Grundschule, Frühstückmachen, Brotdosen packen, Essen kochen, für das Kind einkaufen, sich über den Gesundheitszustand des Kindes Gedanken machen, immer mit Kind im Gepäck Freunde besuchen, immer mit Kind im Gepäck in den Urlaub, das Chaos zuhause jeden Abend aufräumen, undsoweiterundsofort.
Du bist zu nichts verpflichtet – außer dem Geld. Aber auch das lässt sich umgehen: Du hast ja immer einen Mindestsatz an Selbstbehalt. Den hat die Mutter übrigens nicht. Bei der wird nicht gefragt, was nach all ihren Ausgaben noch für sie übrig bleibt. Und wenn Du arbeitslos bist, dann kannst Du Dich ganz von der finanziellen Pflicht befreien lassen. Das kann eine arbeitslose Mutter übrigens auch nicht. Sie muss weiterhin zusehen, wie sie klar kommt und das Geld für ihr Kind aufbringt und es durchbringt. Also, wie gesagt, Du bist zu nichts weiter verpflichtet, denn es wäre ja nicht gut fürs Kind, wenn Du mit dem Kind Zeit verbringst, aber eigentlich gar keinen Bock hast. Ob die Mutter Bock hat, wird nicht gefragt. Und ob das gut fürs Kind ist, dass sie auch keinen Bock hat, braucht Dich nicht zu interessieren. Aber hey, hier kommt der Clou.
Du hast das Recht, jederzeit das Sorgerecht zu beantragen und fröhlich mit zu entscheiden, wo die Mutter und Dein Kind wohnen dürfen, ob der oder die Kleine operiert werden darf oder in welche Schule Dein Kind gehen soll. Genial, oder? Du musst keinen Finger rühren, aber darfst ordentlich mitmischen und mitkontrollieren. Ein besonders guter Zeitpunkt ist, wenn das Kind in die Schule kommt, also so ca. nach dem sechsten bis siebenten Lebensjahr. Dann sind die anstrengendsten Jahre vorbei und Du musst keine Scheiße mehr wegwischen. Dann kannst Du Dich mal melden und von Deinem Recht Gebrauch machen und mal zeigen, dass Du auch noch da bist. Da kannst Du der Mutter – die Du bis heute ja so hasst – nochmal so richtig zeigen, wo der Hammer hängt. Geil, oder?
Bist Du alleinerziehend, bist Du abends eingesperrt. Du kannst nicht raus, zum Sport gehen oder Freund:innen auf ein Bier treffen, tanzen gehen, einen neuen Mann kennenlernen, Sex haben. Sobald Du nach einem anstrengenden Tag Deine Kinder ins Bett gebracht hast und sie noch nicht das Teenageralter erreicht haben, kannst Du von zuhause nicht weg. Du sitzt auf Deiner Couch fest, hängst an Deinem Smartphone oder vor dem Fernseher oder Du schläfst einfach direkt mit Deinen Kindern ein. Aber Du kommst nicht vor die Tür. Vielleicht mal kurz, für einen flotten Spaziergang um den Block.
Während der Vater Deiner Kinder? Er tut und macht, was er will. Er steht auf, wann er will, geht ins Bett, wann er will, trifft, wen er will, hat Sex mit wem er will, fährt in den Urlaub, wann er will und wo er will, arbeitet so lange, wie er will. Seine Zeit ist seine Zeit jederzeit. Er kann über sie frei verfügen – auch jetzt, wo er Vater ist. Für ihn hat sich nichts geändert, außer, dass er laut Gesetz ca. 390 Euro pro Kind im Monat abdrücken müsste (müsste!). Ansonsten läuft sein Leben einfach so weiter. Er kann tun und lassen, was er will.
Eben so wie in den 50ern, in denen Frauen zuhause an den Herd gekettet waren, ihre Aufgabe Kinder, Küche und Kirche war, während die Männer aus- und eingingen und Geschäftspartner oder Arbeitskollegen mit nach Hause brachten, für die die Frau auch noch kochen musste oder in Hotels übernachteten und Frauen mit aufs Zimmer nahmen oder ganz bei einer anderen Frau ihren Kopf auf ihr Kissen betteten, während ihre Alte zuhause schmorte. Sie arbeiteten, schliefen und reisten nach ihren Plänen, nicht nach den Plänen der Frauen. Sie hatten das Geld und damit die Macht. Und sie hatten das Geld und damit die Freiheit. Sie hatten die Legitimität, sich frei in der Gesellschaft, draußen auf der Straße zu bewegen, während das Leben der Frauen auf den häuslichen Bereich beschränkte.
Als Alleinerziehende bist Du automatisch wieder in dieser Rolle gefangen, denn der Mann ist nicht greifbar. Aber mit seiner Abwesenheit und Deiner Unbeweglichkeit hat er die maximale Kontrolle über Dein Leben und kann sogar verhindern, dass Du einen neuen Mann kennenlernst. Lasst uns sein System erschaffen, in dem Männer endlich verpflichtet werden, sich paritätisch um die Kinder zu kümmern oder wo Alleinerziehenden so viele Möglichkeiten geboten werden, dass sie in Gemeinschaft leben oder sich locker ab und an abends einen Babysitter leisten können – wenn der Vater unpässlich ist.