Wir sollen Konfliktexpertinnen auf Profi-Niveau sein

Du bist schwanger oder gerade frisch gebackene Mutter. Und dann kommt da diese Welt, in der es nach Babylotion riecht, nach frischer Kinderwäsche, nach süßlicher Babykopfhaut, diese Welt, wo Windeln säuberlich neben Schnullern und Milchflaschen drapiert sind, wo Sterntaler-Mobile über dem Wickeltisch hängen und die Wände mit süßen Tiermotiven dekoriert sind, wo mit Pünktchen verzierte Vorhänge die Fenster umrahmen und Spieluhren vor sich hin klimpern, Wo selbstgemachte Breigläschen im Tiefkühlfach warten und der 1.000 Euro teure Kinderwagen im Flur steht. Aber dann mischt sich da süßlich stinkender Kotgeruch aus dem Windeleimer in diese rosarote und hellblaue Kinderlandschaft, Kotzflecken beschmutzen die Kleidung und den Boden, Babygeschrei lässt und nicht einschlafen oder sofort wieder aufwachen, nachdem wir nur für fünf Minuten in einen unruhigen Schlaf gesunken sind, und Menschen sind auf einmal ganz weit weg, die wir jetzt doch so dringend gebrauchen könnten. Bald schon stapeln sich Bücher zu gewaltfreier Kommunikation in unserem Schrank, während die Welt um uns herum uns jeden Tag mit Anlauf, Springerstiefeln und voller Wucht in den Rücken springt.

Aber wir, hier in den privaten Räumen, abgeschieden von der Außenwelt, da sollen wir eine Idylle, eine Scheinwelt aufrecht erhalten, die aber von draußen mit Füßen getreten wird. Nur, damit jeder glaubt, wir würden hier in Harmonie leben und die ganze Gewalt in den Familien nicht ein Ausdruck gesellschaftlicher Gewalt ist, sondern nur psychische Labilität und hysterischer Ausbrüche von krankhaften Frauen sei, die einfach nur an sich arbeiten sollen. Dann hätten wir endlich auch glückliche Kinder und müssten uns um sie keine Sorgen mehr machen. Jugendämter sind überlastet, Psycholog:innen ausgebucht, der Schuldenberg der Regierung immens, die Haushaltskassen für soziale Hilfen leer. Also, kauft Euch Ratgeber, liebe Mütter, damit ihr selbst dafür sorgt, ein liebevolles Zuhause zu schaffen, auch wenn ihr auf dem Zahnfleisch geht. Ihr sollt im Verborgenen das zelebrieren, was in der Öffentlichkeit nicht gelebt wird. Ihr sollt glücklich und liebevoll sein, auch wenn ihr jeden Tag politisch, wirtschaftlich und sozial im Stich gelassen oder gar ausgepeitscht werdet. Klingt dramatisch? Ist es auch. Du kommst aus dem Kranken- oder Geburtshaus nach Hause und hinter dir schlägt die Tür zu.

Und auf einmal realisierst du – entweder gleich oder nach ein paar Tagen oder Wochen – Scheiße, ich bin ja ganz allein. Ich bin völlig auf mich gestellt. Und dann wird das süße Kinderzimmer, das hübsch drapierte Familienbett und die kindgerecht eingerichtete Küche plötzlich zu einem Ort der Schwere, der Einsamkeit, der Verzweiflung, des Horrors. Du bekommst keinen Schlaf, das macht dich mürbe, reizbar, aggressiv, aber du darfst es nicht zeigen, geschweige denn ausleben. Du bekommst zu wenig zu Essen, auch das laugt dich aus, macht dich schwach, lässt deine Milch zurückgehen, entzieht dir Energie. Aber auch hier sollst du immer schön lieb und brav bleiben. Du steigst über Wäscheberge, stolperst über herumfliegendes Spielzeug, kannst die Spüle vor lauter dreckigem Geschirr nicht mehr benutzen und stehst vor einem leeren Kühlschrank. Du hältst das Chaos kaum noch aus, es raubt dir Kraft und macht dich wahnsinnig, aber du sollst dem ganzen ein Lächeln schenken und dich fragen, ob du lieber eine entspannte Mutter sein oder eine aufgeräumte Wohnung haben möchtest. Beides wäre echt zu viel verlangt.

Ohnehin sollst du permanent deine Ansprüche herunterschrauben, denn die seien das eigentliche Übel deiner schlechten Laune und des ganzen Stress. Du sollst trotz Schlafentzug und Hunger einfach mal wieder meditieren. Dann würde sich schon alles wieder fügen. Und immer schön die Ratgeber lesen. Du fühlst dich wie eine Sklavin, völlig fremdbestimmt, mit offenen Wunden am Körper, alles gut weh, deine Arme und Beine fühlen sich wie blei, die platzt fast der Kopf und du willst nur noch schreien, aber dir wird jeden Tag aufs neue nach allen Strapazen das Baby auf deinen geschundenen Körper gelegt, dass du voller Liebe in den Schlaf wiegen und singen sollst, auch wenn dir zum Kotzen elend ist. Aber, pssst, das ist immer nur ein Fall für die Ratgeber, die sich ja nur mit Ausnahmezuständen befassen, nicht mit dem alltäglichen harmonischen Elternsein, sondern mit den Schizo-Müttern, die das nicht hinkriegen. Und so eine Schizo-Mutter bist jetzt auch du. Und du denkst, du seist eine Ausnahme, würdest es einfach nicht gebacken kriegen, während es alle anderen doch irgendwie hinbekommen. Genau das sind die Gedanken, die dir in den Kopf gepflanzt wurden, von kindesbeinen an. Das hat nicht erst jetzt angefangen. So bist du schon in die Schwangerschaft, so in dein Mutterdasein gepurzelt. Mit diesen so herrlich dich kontrollierenden Gedanken, die genau das tun, was sie sollen. Dich selbst zu deiner schärfsten Kritikerin zu machen und so müde und schwach, dass du niemals, aber auch niemals aufbegehren wirst. Du Versagerin. Nicht war?

Aber hey, wenn dein Kindergarten- oder Schulkind tobt, dich anschreit und so richtig viel Stress zu Hause veranstaltet, dann darfst du nicht ausrasten und dagegen anbrüllen, weil dir alles über den Kopf wächst und du diese Gefühlsaubrüche jetzt nicht auch noch gebrauchen kannst. Nein, die Jahre der Entbehrung und harten Arbeit, die dich völlig ausgezehrt haben, die dürfen nicht sichtbar werden, hier nicht zur Debatte stehen, niemals der Grund für deine Ausraster sein. Nein! Du sollst dich schön im Griff haben und erkennen, dass du bloß bis heute noch nicht an deinen Triggern gearbeitet hast. Denn dein Kind sorgt mit seinen Wutausbrüchen doch nur für sich. Und Du? Du etwa nicht?!?!? Nein, du bist hysterisch, krank und außerdem erwachsen, heißt, du sollst dich gefälligst beherrschen und lächeln, während dir dein Kind die ganze Zeit gegen dein Schienbein tritt. Und dann kommen da so Schlaumeier, wie der Tassilo oder Sandra und Jeanine und erzählen dir, dass du bloß alte Wunden weitergibst und du die einzige bist, die es nicht schafft, klar, aufrichtig und verantwortungsvoll zu kommunizieren. Oh, ach echt?

Komisch, in einer Welt, in der mein Leben bislang in Balance war, hatte ich meine Trigger unter Kontrolle und selbst in stressigen Situationen war das möglich, weil ich wusste, danach kommt wieder eine Zeit der Ruhe. Aber das ist jetzt auf einmal seit Jahren nicht mehr so. Seit Jahren schlafe ich vier bis sechs Stunden und muss den Rest des Tages arbeiten, arbeiten, arbeiten. Und zwar nicht an einem Start-Up oder tollen Buchprojekt, das mir mal viel Kohle bringt, sondern an immer wieder kehrenden Sisyphos-Aufgaben, die nicht enden wollen. Ja, wie der Name schon sagt. Frustrierender und ätzender könnte das nicht sein. In allen andere Berufsbranchen wie der Pflege oder ähnlich Burnout-anfälligen Berufen wird das schon längst erkannt, auch, was das für brutale Folgen für die von ihnen abhängigen Menschen haben kann. Aber bei Müttern – denen steckt das doch in den Genen, dass sie sich so liebevoll aufopfern und völlig natürlich und fröhlich mit jeglicher Form der Überlastung klarkommen, sobald sie nur in die Augen ihrer Schützlinge schauen. Ich kotz im Strahl.

Nein, sie soll jetzt die Regeln der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg abrufen können (by the way, hat sich schon mal irgendjemand Gedanken über seinen Vornamen gemacht?). Und die brav auswendig gelernten Regeln soll sie nun instinktiv und vor allem richtig anwenden können, auch wenn ihr gerade die Hutschnur hochgeht, der Kragen platzt, der Kamm schwillt oder sie einfach nur schreiend zusammenbrechen will. Klingt dramatisch? Das ist der Alltag der meisten Mütter! Kapiert? Seit der Geburt deiner Kinder hast du nur noch die Hälfte des Geldes, aber die doppelte Arbeit, du bist plötzlich einsam und fühlst dich alleinerziehend, auch wenn du verheiratet bist, du hast kaum noch Schlaf und Freizeit und Sport sind für dich Fremdwörter geworden, schon ein paar Minute in Ruhe auf dem Klo sitzen bedeuten eine kurzer Moment des Glücks. So tief bist du gesunken, so tief. Aber nein, das Glucksen deines Kindes, das schiefe Lächeln deines Sprosses, der Sabbermund deines Nachwuchses machen dich ja so glücklich. Denn Kinder geben dir so viel. Dann ist plötzlich deine Rentenlücke egal, deine drohende Altersarmut, dein Schlaf, deine Gesundheit, deine Träume, deine Ziele, du, ja, du bist egal. Nur noch deine Rolle zählt – Muttersein.

Und diese scheinheiligen Angebote von Massage-Studios und Fitness-Studios, die dir sagen, Mama braucht auch mal eine Wellness-Behandlung oder Tee-Marken, die dir den richtigen Beutel für eine ruhige Minute anbieten wollen oder schon wieder nette Ratgeber, die dir sagen, dass du auch mal ne Atemübung machen sollst, auch mal Fünfe gerade sein lassen – die verkaufen dir was – echte Hilfe bieten sie dir nicht. Niemand von denen will deinen Müll raustragen, deine Kinder hüten oder deine Wäsche falten und wegräumen. Niemand. Das sollst du bitte weiterhin allein machen. So, du Expertin in gewaltfreier Kommunikation. Läuft, oder? Im diesem Sinne, viel Spaß beim Kotzen.

Hallo ich bin die wütende Mutter

Hallo, ich bin eine AYMie, eine Angry Young Mother. Und ich weiß, ich bin nicht allein. Viele wütende Mütter sind da draußen – das hoffe ich doch. Wütend darüber, dass sie selbst nur die Hälfte verdienen können, seit die Kinder da sind, wütend darüber, dass an ihnen die ganze Betreuungs- und Haushaltsarbeit hängen bleibt, wütend darüber, dass die sich die Nächte allein um die Ohren schlagen müssen, wütend darüber, dass sie immer mit krankem Kind zuhause bleiben müssen, wütend darüber, dass sie alleinerziehend sind. Und dass ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem, was einen irgendwann aus der Haut fahren lässt.

Wütende Frauen, das ist der Graus der Menschheit. Niemand möchte Frauen wütend sehen und schon gar nicht Mütter. Mütter sollen glücklich sein und all den Scheiß mit einem Lächeln ertragen, weil sie ihre Kinder über alles lieben und daher bereit sind, auch dann noch Stiefel zu lecken, wenn ihnen schon der Rücken gebrochen wurde. Ist das nicht ein seltsames Bild, das wir von Müttern haben? Wollen wir wirklich ausgelaugte, finanziell benachteiligte, sozial niedriger gestellte Menschen, die unsere Kinder erziehen? Wollen wir solche Bezugspersonen für unsere Schützlinge? Warum Wut? Weil Wut gut ist.

Sie ist ein Antreiber, sie ist gesund und zeigt uns deutlich auf, wenn etwas gehörig schief läuft. Sie wird immer größer je weniger wir bereit sind, den Status quo hinzunehmen, je mehr unsere Grenzen überschritten werden, je mehr auf uns herumgetrampelt wird, je weniger wir uns respektiert fühlen, je mehr wir Ungerechtigkeit empfinden. Wut befähigt uns, endlich den Mund aufzumachen, unsere Meinung zu sagen, auf den Tisch zu hauen und eine klare Ansage zu machen – sie gibt uns den Mut, jemanden in seine Schranken zu verweisen, von uns zu stoßen und auf Abstand zu halten, wenn wir bislang immer nur das liebe Mädchen waren, das gelernt hat, dass Wut und Aggression sich für Mädchen nicht schickt. Manchmal schießen wir in solchen Momenten übers Ziel hinaus. Aber es ist endlich raus und ein Stein kommt ins Rollen. Warum es so wichtig ist, die Wut gegen die Menschen, Behörden, Politiker und Gesetze zu richten, die einem täglich das Leben zur Hölle machen, ist, weil wir sie nicht gegen unsere Kinder richten wollen. Das hier ist keine Privatveranstaltung. Das hier ist ein riesengroßes politische Problem. Und nur, wenn wir die Umstände endlich ändern, können wir auch endlich die Muttis sein, die sich alle so sehr wünschen.

Brave Kinder – einfaches Leben

Hört nicht auf Leute, die Euch sagen, ihr müsst bloß Eure Kinder richtig erziehen, dann geht’s auch leichter. Sie können auch ein Nein verstehen, mit Kleinkindern kann man schon reden und abends gemeinsam schauen, was ist gut gelaufen, was nicht so gut, Kinder müssen auch mal zurückstecken und sehen, dass Mama jetzt in Ruhe ihren Kaffee trinken will, gerade keine Zeit hat und ihr Euch mal zurückziehen sollt. Ach ja?

Wir gehen wohl immer noch davon aus, dass Kinder kleine Roboter sind, die dann auch bei gutem, geduldigen Zureden genau das machen, was man von ihnen verlangt, die keinen Protest kennen, kein Autonomiebedürfnis und die keine Stimme haben, die sich so laut erheben kann, dass man lieber Schnuller, Lieblingspudding oder das Bärchenvideo in Dauerschleife serviert statt zu diskutieren. Diese dummen Ratschläge sind für die Tonne. Denn sie gönnen Mama keine echte Entlastung. Sie soll bloß für ein paar Minuten am Tag ihren Kaffee trinken dürfen, einmal allein aufs Klo gehen dürfen und einmal ohne Kindergeschrei den Mittagsbrei kochen dürfen, dann sei die Welt schon wieder in Ordnung. Pustekuchen. Damit ist gar nichts in Ordnung. Ist das Euer ernst? Mehr dürfen wir nicht verlangen? Mehr ist uns nicht gegönnt?

Dieses Denken geht davon aus: machen die Kinder, was man ihnen sagt, dann ist man auch entlastet und das Leben mit Kind ist gar nicht mehr anstrengend. Nein! Das ist keine Entlastung! Echte Entlastung sieht anders aus! Denn wir haben es hier immer noch mit Kindern zu tun. Mit Babys und Kleinkindern. Nicht mit einem Erwachsenen, einem eigenverantwortlichen Menschen, sondern mit einem kleinen Kind, das versorgt werden muss und zwar nicht nach Minimalstandards, sondern geordnet, gepflegt, liebevoll, trocken, geborgen und warm. Echte Entlastung ist Hilfe von außen. Menschen, erwachsene Menschen, die mit anpacken, die Kinder abnehmen, den Haushalt abnehmen, die Essenzubereitung abnehmen.

Erholung kommt nicht über Nacht

Endlich schlafen die Kinder eine Nacht pro Woche bei ihrem Vater. Endlich verbringen sie einen kompletten Tag am Wochenende bei ihm. „Ach, toll, dann hast Du endlich frei, genieße es, das ist doch schön, endlich Entlastung,“ sagen Freunde und Verwandte. Und oft sieht man in ihrem Blick einen Ausdruck, der besagt, na, das ist doch einiges, was hast Du denn, das ist doch jetzt easy, oder? Manchmal sagen sie es auch ganz unverblümt. Es rutscht ihnen direkt raus: „Jetzt ist doch gut, oder?“ Und sie fragen sich im Ernst, ob der Begriff alleinerziehend da überhaupt noch angemessen sein mag.

Nur hat der Zustand ohne jegliche Entlastung schon viel zu lange existiert. Über Jahren nämlich. Und der hat Spuren hinterlassen. So sehr, dass ich das Gefühl habe, dass die Menge an Auszeit nicht mit der Menge an Regeneration einhergeht, die ich benötige. Auch wenn ich jetzt mehr Zeit habe, „mehr“ Zeit für mich (8 Stunden an einem Samstag), für „mehr“ Schlaf (1x pro Woche – kein Kommentar), kommt keine richtige Energie rein. Ganz im Gegenteil. Ich habe eher das Gefühl, immer weiter in eine Art Lethargie zu verfallen. Ja, fast schon Depression. Ich habe Null Bock auf Sport, Null Bock auf Kontakte, Null Bock auf das Leben da draußen. Ich will mich nicht schick anziehen, nicht unnötig viel Zeit in die Körperpflege stecken, und auch sonst alles irgendwie einfach nur so durchstehen, ohne groß in Gefühlswallungen kommen zu müssen. Kurzum, ich will mich nicht spüren.

Krumm stehe ich da, mit einem Buckel, der dem Glöckner von Notre Damne alle Ehre machen würde. Der Beckenboden hängt so sehr durch, dass ich dem spineless Professor von clever und smart ähnle und nur noch mit durchgedrücktem Hohlkreuz und Plauze durch die Gegen schlurfe. Ich sehe aus wie ein Lurch. Und ja, ich kann mich in der Tat nicht einmal mehr gerade hinstellen. Alles atrophiert. Meine Körperhaltung entspricht meinem Gemüt. Es ist kein Stolz, kein Feuer, kein Leben in mir. Nur Angst davor, dass wieder jemand was von mir will.

Er ist ja doch kein so großes Arschloch

„Dann ist er doch nicht so ein Arschloch,“ sagt ein Kollege zu mir, beugt sich dabei im Auto etwas zu mir rüber und schaut mich fast belehrend über seinen Brillenrand von unten her an, während er die Klimaanlage im Auto etwas verstellt, weil es zieht. „Natürlich, er ist ganz lieb zu den Kindern,“ bestätige ich, „ich kann sie bedenkenlos bei ihm lassen.“ „Das ist schon die halbe Miete,“ sagt er. „Wer weiß, vielleicht könnt ihr irgendwann mal wieder zusammen wohnen.“ Bitte was???

Ich winke ab. „Ich hab ja keine Ahnung,“ meint er süffisant und fühlt sich in seiner 36 Jahre anhaltenden Beziehung sehr wohl und stolz. Er hat ja keine Ahnung – sprich, er hat diese Probleme nicht. Und auch nicht nötig. Danke für den Hinweis. Gerne hätte ich ihn folgendes gefragt: Wie würdest du dich selbst bewerten, wenn du deine Frau einfach mit drei Monate alten Zwillingen zuhause sitzen lassen würdest, weil sie es einmal gewagt hätte, in einem Moment der völligen Erschöpfung und Verzweiflung zu schreien: Ich kann nicht mehr!!! Du würdest dich dann pikiert von ihr abwenden, weil sie es gewagt hat, einen Nervenzusammenbruch zu haben. Denn du hättest mal wieder geglaubt, dass sie dich persönlich angeschrien hat statt nur in den Raum hinein. Du hättest dir schnurstracks eine neue Wohnung genommen, die du vorsichtshalber schon vorher angemietet hast, weil du eigentlich von vornherein einen Plan B hattest, immer ein Bein schon auf der Straße, weg von allem, der Verantwortung. Wenn sie dich in den nächsten Tagen, in denen du noch ab und an sporadisch vorbekommen würdest, verzweifelt anbetteln würde, doch mal wieder eine Nacht zu bleiben, um dir ein Kind abzunehmen, würdest du ihr ein verächtliches NEIN ins Gesicht spucken und sofort zur Tür stürzen und das Weite suchen.

Wie würdest du dich bewerten, wenn du in den nächsten Monaten immer nur noch ein oder zweimal die Woche top gestylt und braungebrannt zu Besuch kommen würdest, um dich bloß an deiner Fortpflanzung zu erfreuen und dann nach 30 Minuten wieder auf die Uhr zu schauen und aus der Tür zu schweben, da du ja noch verabredet bist. Du würdest wegschauen und ignorieren, dass deine Frau auch im kranken Zustand keinen Schlaf bekommt, sich jeden Tag und jede Nacht um die Kinder kümmern muss. Du würdest anfangs eine drohende Email schicken und sagen, dass sie es erst gar nicht versuchen soll, dich um Unterhalt anzuzapfen, du hättest ohnehin schon genug gezahlt. Du würdest ab sofort dein Single-Leben genießen, Sport machen, so viel wie du willst und wann du willst, in den Urlaub fahren, ohne Rücksicht auf Verluste, vier neue Hobbys zulegen, weil du plötzlich so viel freie Zeit hast, dass du gar nicht weißt, was du damit anfangen sollst, du würdest Freunde treffen, Party machen und so viel arbeiten und mit Kollegen einen trinken gehen, wie es dir in den Kram passt. Du genießt wieder dein altes Leben und kostest es aus – mehr denn je. Du siehst zu, dass deine Kumpels und du weiterhin eure Männerurlaube macht, während deine Frau froh ist, mal in Ruhe duschen zu können. Sie würde für die nächsten drei Jahren zum ersten Mal so etwas wie Urlaub haben – natürlich mit den Kindern zusammen.

Die erste Nacht allein ohne ihre Kinder würdest du ihr nach zwei Jahren endlich gestatten. Davor hattest du einfach keinen Nerv für so was. Außerdem hättest du eh den Eindruck gehabt, sie würde das alles ziemlich gut allein wuppen, sie hätte ohnehin einmal gesagt, dass sie glücklich sei, mal vier Stunden Schlaf zu bekommen. Das hast du dann so gedeutet, dass ihr vier Stunden völlig ausreichen. Du hingegen hättest das Gefühl gehabt, kurz vor einem Herzinfarkt zu stehen. Dass sie selbst seit Jahren Herzrhythmusstörungen hat vor lauter Schlafmangel und Erschöpfung, hast du einfach ignoriert. Irgendwann würdest du immerhin von 10 bis 18 Uhr Zeit mit den Kindern verbringen, aber immer in der Wohnung deiner Ex-Frau, die  in der Pandemie und im Winter keinen anderen Ort hat, wo sie hin kann und euch beim Spielen zuschauen muss. Erst nach fünf Jahren können die Kinder endlich mal bei dir übernachten und dann endlich auch jedes zweite Wochenende bei dir sein. Und dann würdest du allmählich auch mal anfangen, mit ihnen Kurzurlaube zu machen. Weit traust du dich nicht weg, aber immerhin. Bei allem stellst du dich als so lieb und besonnen dar, der nur aufgrund seiner verrückten Ex keine Zeit mit den Kindern verbringen könne. So, und nun frage dich nochmal: Würdest Du sagen, ich war ja doch kein so großes Arschloch?

Mütter sind nicht verrückt – warum wir eine andere Psychotherapie brauchen

Wir sollen positiv denken, dankbar sein, uns was Gutes tun, unsere Ansprüche runterschrauben, nicht immer so hart zu uns selbst sein, auch mal Fünfe grade sein lassen, schlafen, wenn die Kinder schlafen, mehr Yoga machen, meditieren. Dann würde es uns besser gehen. Und geht es der Mama gut, geht es auch dem Kind gut. Ach, neeeiiin! Wirklich? Auf die glorreiche Idee wäre ich im Leben nicht gekommen. Wahnsinn! Danke für diese bahnbrechenden Tipps. Warum ist mir das selbst nicht eingefallen? Komisch, als ich noch keine Kinder hatte, bin ich regelmäßig zum Sport gegangen, in die Sauna, ins Kino, Theater, auf Konzerte, Partys, hab ausgeschlafen, gut gegessen und war nach dem Urlaub auch tatsächlich erholt. Das geht mit Kindern eben nicht mehr so leicht, Ihr Blinsen. Vielleicht hört die Welt mal auf, uns mit Binsenweisheiten abzubügeln und für dumm zu verkaufen. Ist ja auch viel einfacher, einen mit Kalendersprüchen und Zitaten von Buddha und Co ruhigzustellen, statt ganz praktische Hilfe anzubieten.

Essen kochen und vor die Tür stellen, den Einkauf erledigen, Wäsche zusammenlegen, mal durchwischen oder die Kinder hüten. Wie wäre es mal damit? So geht es uns besser, so haben wir mal die Hände frei, so können wir mal durchatmen. Aber nein, uns werden Ratgeber an die Hand gegeben, in denen steht, wie wir uns noch besser organisieren können. Wir werden auf Mutter-Kind Kuren geschickt, mit erbärmlichem Essen, winzigen Zimmern und Zwangsprogramm mit Nordic Walking und Selbstoptimierug, nur um danach wieder im selben Alltag zu landen, wo nach einer Stunde jegliche Erholung verpufft ist, sollte sie sich überhaupt eingestellt haben.

Wir werden an schlecht ausgebildete Coaches oder Therapeut:innen geschickt, die uns erklären, dass wir mehr auf unsere Bedürfnisse achten sollen, weniger wütend zu sein und weniger gereizt mit unseren Kindern. Denn zu Kindern muss man ja lieb sein. Aber echte hands-on Hilfe im Alltag gibt es nicht. Denn der Alltag ist mit Kindern eine einzige Aneinanderreihung von Unberechenbarkeiten. Selbst, wenn ich mir vornehme, an meine Bedürfnisse zu denken und in die Tat umzusetzen, da ist einfach kein Platz. Alles ist im Alltag so auf Rand genäht. Will ich morgen zum Sport, ist eins der Kinder krank, will ich mal länger schlafen, kotzt ein Kind nachts oder träumt schlecht. Dann steht der Geburtstag an, dann eine Abendveranstaltung der Arbeit, dann ein Elternabend, dann der Sport der Kinder, dann ein Fußballturnier der Kids, dann eine kaputte Waschmaschine, dann ein platter Fahrradreifen, dann dies, dann das.

Alles nur Ausreden, um sich nicht um sich selbst kümmern zu müssen? Bloß eine übereifrige To Do-Liste, in der man nur ein wenig Platz für sich schaffen müsste? Nur eine Frage von Prioritäten? Nein, verdammte Scheiße!! Eine Frage mangelnder, ganz praktischer Hilfe! Wie dieser Vixxer, der mich anmacht, als ich mit den Kindern versehentlich auf einen Radweg gerate und er mich fast überfährt, weil er sich im Recht sieht, diesen nur für ihn angelegten Radweg entlang rasen zu dürfen, während ich schweißgebadet mein Fahrrad halb trage, halb ziehe, da ich einen Platten habe.

„Du Arschloch!“, schreie ich ihn an. Er hält an und meint, mir Paroli bieten zu können. Aber er weiß nicht, dass er eine völlig überabreite Mutter vor sich hat. „Du scheiß Single! Du musst dich nur um deine Scheiße kümmern!“ Ich schreie, wie von Sinnen – und ja, ich bin von Sinnen. Meine Kinder halten sich die Ohren zu. Der Mann schnaubt verächtlich, will etwas sagen, aber er findet keine Worte. „Wie wär’s, wenn du mir mit meinem Platten hilfst, das wäre mal was!“ füge ich kreischen hinzu. Aber er hilft mir nicht. Er lässt mich einfach stehen. Dabei liegen noch 1.000 Meter vor mir, auf denen ich dieses Rad nach Hause schleppen muss. Und dieser Radsportler hätte mir mit Sicherheit weiterhelfen können. Aber er tut es nicht.

Schämen soll ich mich, sagt meine Therapeutin, die einen richtigen Ekel vor wütenden Müttern zu haben scheint. Zitternd und fast den Tränen nah, erzähle ich ihr von diesem erniedrigen Erlebnis. Aber sie hat kein Verständnis für meine Verzweiflung, keinen Blick für den Zusammenhang, kein Gespür für den Hintergrund. Ich glaube, sie weiß überhaupt nicht, wovon ich überhaupt rede.

In Deutschlandfunk Kultur spricht der Psychotherapeut Thorsten Padberg darüber, dass vor allem Alleinerziehende von Depressionen betroffen sind. Nicht, weil sie von Hause aus einen Schuss haben, sondern weil ihre extreme Situation sie depressiv macht. Schlafmangel, alles allein schultern zu müssen, immer unter Strom zu stehen, die volle Verantwortung für die Kinder tragen zu müssen, dazu noch berufstätig zu sein. Das zwingt jeden in die Knie.

Wir brauchen keine psychologische Begleitung, damit wir bessere Mütter werden. Und wir brauchen auch keine Mutter-Kind-Kuren, in der wir zwangsoptimiert werden sollen. Wir brauchen staatliche geförderte Haushaltshilfen, Essenslieferungen, Kinderbetreuung und eine familienfreundliche Arbeitswelt. In den letzten sieben Jahren habe ich mich immer wieder an Coaches, Heilpraktiker:innen, Psychoatherapeut:innen und sogar Psychiater:innen gewandt. Niemand konnte mir die Last nehmen. Das einzige, was sie konnten, ist mir Durchhaltetechniken zu vermitteln. Denn nichts anderes ist es, was ihnen möglich ist. Sie können unsere prekäre Lebenssituation nicht lösen. Sie können nur Tipps geben, wie wir die ganze Misere besser aushalten und nicht aus dem Fenster springen.

Böse Mütter – arme Väter

(tut mir leid, ich kenne diese Konstellation nicht)

Alexas_Fotos

Unser Familienrecht basiert auf der Annahme, dass böse Mütter ihre Kinder den Vätern wegnehmen, sie finanziell aussaugen wollten und ihre Kinder gegen sie instrumentalisieren würden. In der Realität sieht es allerdings genau gegenteilig aus: Männer laufen davon, belästigen oder bedrohen ihre Exfrauen, hetzen die Kinder gegen sie auf, halten sich nicht an Absprachen, zahlen keinen Unterhalt, feilschen um jede Minute, die sie nicht mit ihren Kindern verbringen müssen oder fordern Zeiten mit den Kindern ein, nur, um sie an Oma und Opa abzuschieben, oder sie verschwinden komplett aus dem Leben ihrer Kinder. Ich kann spontan zehn Alleinerziehende aufzählen, die in meinem Freundeskreis sind, die so ganz und gar nicht dem Klischeebild der bösen Mutter entsprechen, welche dem Vater die Kinder entzieht (siehe unten).

Ich selbst wurde direkt nach der Geburt mit diesen Unterstellungen konfrontiert. Der Kindsvater war weg, ich am Ende meiner Kräfte, da beschloss ich, für einige Wochen zu meinen Eltern zu fahren, damit wir dort die Versorgung und Unterstützung bekommen, die nötig ist, um zwei Babys gleichzeitig stillen, wickeln, an- und ausziehen, tragen, und zum Schlafen bringen zu können, ohne selbst dabei drauf zu gehen. „Entziehen Sie dem Vater nicht seine Kinder!“ warf mir eine Coaching-Frau direkt zu. Bitte was? Er hat sich aus dem Staub gemacht und ich soll noch brav allein in der Wohnung bleiben, völlig entkräftet und ohne jegliche Hilfe, nur, damit er einmal pro Woche für eine Stunde mit seinen Kindern Duziduzi machen kann? Geht’s noch? „Lass dich bloß nicht provozieren, halte die Füße still und sei einfach weiterhin ganz freundlich,“ warfen mir Familienmitglieder zu. „Mach dein eigenes Ding und vergiss ihn,“ rieten andere. Äh, ja klar. Klappe halten und immer brav lächeln. Oder aber auf jegliche Hilfe verzichten? Die meisten Frauen halten sich tatsächlich an die erste Regel und bleiben sehr, sehr angepasst, weil nämlich zweites nicht funktioniert. Ihn einfach ziehen lassen und so tun, als hätte es ihn nie gegeben. Dieser Mann ist verdammt noch mal der Vater der Kinder und die meisten Mütter wollen, dass er Teil der Familie ist. Nicht, weil sie an einem kranken Ideal der harmonischen Kleinfamilie festhalten wollen, sondern, weil er einfach mal die komplette andere Hälfte der Verantwortung hat, tatsächlich der Vater der Kinder ist, die Kinder ein Recht auf ihn haben und seine aktive und finanzielle Unterstützung bitte nötig sind.

Die meisten Frauen strampeln sich jahrelang ab, um diesen Vater teilhaben zu lassen. Egal, mit wem ich sprach, immer wieder vermuteten Leute, es hätte bei uns ein Rosenkrieg gegeben, wir beide hätten uns bestimmt immer nur in den Haaren gehabt, ich hätte sicherlich auch einen nicht unbedeutenden Anteil an dem ganzen und irgendetwas getan, dass er fliehen musste. Immer wieder wurde gefragt, ob er die Kinder sehen DARF, ob er ein gutes Verhältnis zu den Kindern aufbauen konnte. Meine Güte! Das sollte alles nicht mein Problem als Mutter sein. Aber ich werde permanent für das Verhältnis des Vaters zu seinen Kindern verantwortlich gemacht. Die Realität sieht meist so aus – Väter fühlen sich nicht in der Verantwortung, sie nehmen einfach Reißaus, sie wollen sich nicht in ihrer Freiheit einschränken lassen, bekommen Panik, verschwinden in ihrer Arbeit, im Sport, Feiern, Vereinsleben oder allem, was außerhalb der eigenen Familie stattfindet. Sie sind nicht da! Und sie wollen es auch nicht. Punkt. So, und nun zehn Beispiele von Frauen aus meinem Freundinnenkreis, die alle so gar nicht dem Klischee der bösen Ex entsprechen. Und P.S.: ja, ich kenne eine Mutter aus meiner eigenen Schulzeit, die weggelaufen ist. Und ich kenne eine Mutter einer Arbeitskollegin, die weggelaufen ist. Und ich kenne den Nachbarn einer Freundin, dessen Frau weggelaufen ist. Aber sie sind eben nicht die Regel. So, hier nun die gängigen Geschichten, die ich zu Hunderten erzählen könnte.

Marike: hat eine erwachsene Tochter, die sie von Anfang an allein großziehen musste. Der Mann ist sofort vor der Verantwortung geflohen. Sie musste auf dem Amt für Unterhalt kämpfen und trat sogar in den Sitzstreik, als man ihr Hilfe verwehren wollte. Der Vater hat die Tochter kaum gesehen. Bei der Kommunion verließ er nach wenigen Minuten wieder die Feier, ohne sich zu verabschieden. Marike schrieb ihm und seinen Eltern immer wieder freundliche Postkarten mit Fotos ihrer Tochter, wollte den Kontakt zu allen herstellen. Sie bekam nie eine Reaktion. Heute verweigert der Vater der Tochter Geld fürs Studium.

Palina: Sie hat einen Sohn mit einem Mann, der schon kurz nach der Geburt des Kindes davonlief. Er zog zu seinen Eltern und aus dem Leben seines Kindes zurück. Palina hatte anfangs noch Verständnis für seine Ängste und der Überforderung, Vater zu sein. Sie lud ihn immer wieder zu sich ein. Wenn er zu Besuch kam, lächelten alle freundliche in die Kamera und sie schickte uns die Bilder mit der Unterschrift, dass sie trotzdem dankbar für jede Minute ist, die er mit seinem Sohn verbringt. Sie ist ein so bewusst lebender Mensch, der mit allem Frieden schließen kann, obwohl ihr gerade Heftiges widerfahren ist. Mittlerweile lässt sich der Kindsvater kaum noch blicken, da sie ein weiteres Kind mit einem neuen Mann hat. Sein gekränktes Ego ist so groß, dass er sich nicht einmal für seinen Sohn öffnen und Zeit mit ihm verbringen kann, da er die Mutter so sehr hasst.

Nanas_World

Raja: Sie hat ebenfalls mit einem Mann einen Sohn, der in der Anfangszeit lieber feiern ging und sich die Nächte in Clubs um die Ohren schlug, als sich um sein Kind zu kümmern. Treffen mit dem Kleinen hielt er nicht ein oder er kam zu spät oder blieb nur für ein paar Minuten. Pflichtgefühle gegenüber seines Sohnes als Vater stellten sich nicht ein. Bis heute nicht. Als auch sie ein weiteres Kind mit einem neuen Mann hatte, verschwand auch er komplett aus dem Leben der kleinen Familie.

Fiona: Sie trennte sich nach einem Jahr von ihrem Mann, weil sie nur noch stritten und sie ihren Sohn so nicht aufwachsen sehen wollte. Sie zog in eine kleine Wohnung am Rande der Stadt, um sich in Sicherheit zu bringen. Ihr Ex selbst kann es bis heute nicht glauben, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen sein will, willigt daher nicht in die Scheidung ein und möchte, dass sie in eine Wohnung zieht, die er sogar bezahlen würde. Er kann sie nicht in Ruhe lassen, belästigt sie permanent mit Nachrichten, willigt nicht in ihre Schulentscheidung ein und hält sich nicht an Absprachen. Ist der Sohn bei ihm, bekommt er kaum Schlaf und kommt dann völlig übermüdet, aufgekratzt und häufig krank zur Mutter zurück.

Madita: sie hat die ersten zwei Jahre mit ihren beiden Kindern allein verbracht, einer Tochter und einem Sohn, die beide ein Jahr auseinder sind. Dann zogen der Kindsvater und sie noch einmal zusammen, mehr aus praktischen Gründen und weniger, weil sie sich gegenseitig so anziehend fanden. Das ging nach kurzer Zeit nach hinten los. Als sie den Psychoterror und die emotionale Gewalt durch ihn nicht mehr aushielt, floh sie mit ihren Kindern, nachdem sie ihn über ihr Vorhaben sogar mehrfach informiert hatte. Jetzt ist sie in Sicherheit, kümmert sich stetig und dem guten Kontakt der Kinder mit dem Vater. Dieser terrorisiert sie aber weiterhin mit Nachrichten, hält sich nicht an Absprachen, hat einen Gerichtsverfahren angezettelt und für sich Rechte vor Gericht erstritten, obwohl er sich jahrelang nicht um die Kinder gekümmert hat. Meine Freundin sieht seitdem ihre Kinder kaum noch, obwohl sie diejenige war, die selbst in der gemeinsamen Wohnung alleinerziehend war.

Tessa: Als sie sich vom Kindsvater trennte, fingen seine Familie und er selbst an, sie zu bedrohen. Sie wollten ihr das Kind wegnehmen. Irgendwann glätteten sich die Wogen wieder, als der Kindsvater von seiner Kränkung runterkam und er selbst eine neue Freundin hatte. Er fordert viel Zeit mit dem gemeinsamen Sohn ein.

Magdalena: Als ihre Kinder acht und zehn waren, trennte sie sich von ihrem Mann. Sie bekam von ihm nichts. Keinen Unterhalt, keine Unterstützung. Sie kümmerte sich in der Anfangsphase um alles allein und musste dazu natürlich auch weiter arbeiten gehen. Er terrorisierte sie mit Nachrichten, redete schlechte über sie vor den Kindern und wollte nur jedes zweite Wochenende mit ihnen verbringen. Sie hingegen stemmte den Alltag mit ihnen, verlor kein böses Wort über ihn, hüllte sich in Schweigen und hielt sich mit Freunden und einem Hobby über Wasser – Tanzen. Jetzt sind ihre Kinder erwachsen und erkennen, wie ihr Vater wirklich drauf war.

Karin: Ihr Ex sperrte sie ein, demütigte sie und nahm ihr das Handy ab. Als sie sich zusammen mit ihrem kleinen Sohn von ihm trennte, forderte er das geteilte Sorgerecht und das Wechselmodell. Obwohl der Sohn noch ein Baby war und voll gestillt wurde, musste er trotz seines Geschreis zum Vater. Von diesem wurde er bloß an die Großeltern abgeschoben. Der Junge war durch die erzwungenen Umgang und das Wegreißen von der Mutter traumatisiert. Später, als es für beide eigentlich hätte einfacher werden müssen, nahm das Engagement des Vaters nicht zu, sondern sogar ab. Er wollte den Sohn immer nur einen Tag und eine Nacht an jedem zweiten Wochenende bei sich haben, weil er ja „arbeitsfähig“ bleiben und sich von der Arbeit auch mal erholen müsse. Dass die Mutter selbst berufstätig ist, schien nie zu zählen.

Ingrid: Sie trennte sich von ihrem Mann, als die Kinder zwei und vier Jahre alt waren. Sie hielt es nicht mehr aus, dass er sie immer mehr kontrollierte und ihr verbat, ihre Freunde und sogar die eigene Mutter zu sehen. Als gekränkter Mann, der verlassen wurde, verweigerte er Ingrid jegliche Unterstützung. Sie musste Unterhalt einklagen und immer wieder darum kämpfen, dass er auch mal unter der Woche oder an einem Wochenende die Kinder nimmt. Die Kinder selbst wünschen sich den Umgang mit dem Vater. Aber dieser kann sie nicht an feste Absprachen halten. Bis heute sagt er kurzfristig ab und kann keine verbindlichen oder regelmäßigen Termine einhalten. Sie hat es aufgegeben, ihn für mehr Zeit mit seinen Kindern zu begeistern. Sie lässt ihn gewähren. Alles andere kostet sie zu viel Kraft.

Kathinka: Ihr Kind entstand bei einem One-Night-Stand. Der Vater des Kindes ist Alkoholiker und gewalttätig. Er hat bereits Kinder mit anderen Frauen. Sie hat das alleinige Sorgerecht. Immerhin hat er die Vaterschaft anerkannt. Von ihm hat sie aber nie Geld gesehen. Bis heute bekommt sie Unterhaltsvorschuss vom  Amt, was so viel weniger ist, als der eigentliche Unterhalt vom Vater.

Der Ehemann ist der Vater des Kindes vom Neuen

The Digital Artist

Das gibt es nur in Deutschland! Ein Mann in einem Café schlägt sich schallend lachend auf die Schenkel. Gerade erzählt er seinem Gesprächspartner, dass eine Bekannte sich von ihrem Ehemann getrennt hatte. Dann lernte sie einen neuen Mann kennen und hat mit ihm nun ein Kind. Weil sie aber mit dem Ex-Mann noch verheiratet ist, also noch nicht geschieden, wurde dieser automatisch Vater des neuen Kindes und nicht der leibliche Vater. Die beiden Männer prusten und sagen dann doch ziemlich schockiert und erstaunt, „Wie scheiße ist das denn? Stell Dir das mal vor! Da bekommst du mit einem neuen Mann ein Kind und der wird nicht als Vater des Kindes anerkannt, weil du noch mit dem Ex verheiratet bist? Das gibt es auch nur in Deutschland.“ Ja, denke ich voller Beklemmung, so eine frauenfeindliche Scheiße gibt es nur in Deutschland. Hier kannst Du auch Deinem Ehepartner bei der Beseitigung einer Leiche helfen und nicht belangt werden, weil das Gut der Ehe so hoch bewertet wird. Einfach nur krank.

Rosita-Schwein so deprimierend

Am Wochenende haben wir vier Kindern abends einen Film angemacht, weil sie schon müde waren, noch was essen mussten und kurz vorm Durchdrehen waren. Also haben wir Mütter sie den Kinderfilm „Sing“ anschauen lassen. Darin schafft es eine Schweinchen-Mutter von 25 Ferkeln in eine Castingshow und wird genommen. Als sie zu den Proben und schließlich zum Auftritt muss, hat sie keine Unterstützung, weder Nannys noch ihr Mann stehen ihr bei, nehmen ihr die Arbeit, die Kinder, den Haushalt ab. Nannys legen bei der Zahl der Kinder auf. Der Mann schläft abends direkt vor dem Fernseher ein, wechselt mir ihr noch nicht einmal ein Wort. Also muss sie sich einen Plan ausdenken und baut die ganze Nacht über ein System im Haus, das automatisiert die Kinder und den Ehemann weckt, ihnen Frühstück macht, beim Anziehen hilft und sie zur Tür rausschickt. Sie selbst hat keinen Schlaf bekommen und eilt noch vor allen aus dem Haus. Es soll lustig sein, aber es ist einfach nur traurig. Eine Mutter ist völlig auf sich allein gestellt. Sie hat kein Netzwerk, ist völlig übermüdet, muss für ihren Traum heimliche Wege gehen, kann nicht offen Hilfe empfangen, muss für sich Lösungen finden, um irgendwie weiterhin ihrer Mutterrolle gerecht zu werden. Diese abstreifen darf sie nämlich nicht.